GAZ Wolga M21 „Black Pearl“

GAZ, Gorkovski Avtomobilny Zawod, übersetzt als Gorkier Automobil Werk. Die GAZ-Gruppe ist der größte Automobilkonzern in Russland. Der Hirsch (Jelen) ist das Wappentier der Stadt Nischni Nowgorod (deutsch: Untere Neustadt). Zu Zeiten der Sowjets wurde die Stadt in Gorki umbenannt. Heute heißt sie wieder Nischni Nowgorod.

Vom  Wolga M21 (Russen-Royce) wurden zwischen 1956 und 1971 drei Modelle gebaut. Der Kühlergrill der bis 1958 gebauten Version (T1) weist 3 horizontale Rippen auf, in deren Mitte der Sowjetstern eingefasst ist. In der unteren Leiste, die bis auf den Kotflügel reicht, sind die Blinker. Merkmale im Innenraum sind ein lackiertes Armaturenbrett, unter dem sich rechts die Motorhaubenentriegelung befindet. Die zwischen 1958 und 1963 gebauten Autos (T2) wurden mit einer breiten Chromzierleiste an der Motorhaubenvorderkante und einem vertikal verrippten Kühlergrill ausgestattet. Der Sowjetstern prangt dezenter über dem Kühleremblem, dem Wappen von GAZ. Unter dem teilweise kunstlederbespannten Armaturenbrett befindet sich die Motorhaubenentriegelung nun links, der Himmel ist meist mit Kunst- statt Textilstoff bespannt. In der letzten bis 1971 gebauten Version (T3) hat der Wolga einen Kühlergrill mit schmaleren Rippen und leichtem Knick. Die vorderen Blinker sind seitlich weiter herumgezogen, die Stoßstangen müssen ohne Hörner auskommen und die Heckleuchten sowie die hinteren Kennzeichenbeleuchtung haben sich geändert. Unter dem Blech ist vor allem die Umstellung von Hebel auf Teleskopstoßdämpfer auffällig. Durch den Wegfall der Zentralschmierung bietet die Vorderachse mit 17 Schmiernippeln eine intensive Fettpressennutzung. Alle Details können sich bei den Übergangsmodellen vermischen. So kann ein T3 Modell durchaus Merkmale eines T2 Modells haben oder umgekehrt.Als Karosserievarianten wurden neben der Limousine ein fünftüriger Kombi (Universal; M22) angeboten, den es als M22B auch mit Spezialaufbauten gab. Nahezu unbekannt und nicht zu bekommen ist ein dreitüriger Lieferwagen.
Serienmäßig ausgestattet ist der M21 mit einer Kühlerjalousie, eine Zweitonfanfare, eine Scheibenwaschanlage mit zweistufigen Wischer, eine Heizung mit zweistufigem Gebläse, Liegesitze, Aufstellfenster vorne, eine in der Helligkeit regelbare Instrumentenbeleuchtung und einer automatischen Blinkerrückstellung.
Bei dem Motor, einem 2,5 Liter großen Reihenvierzylinder, handelt es sich um den ersten Serien-Leichtmetallmotor mit im Kopf hängenden Ventilen in Russland. Er blieb über die gesammte Bauzeit unverändert. Je nach Ausstattung wurde die Verdichtung erhöht und so die Leistung von 70 auf 75, mitunter auch auf 80 PS angehoben.

Zeitweise werden auch Wolga M21 in Belgien (von Scaldia) montiert, die auf Wunsch mit Dieselmotoren (von Rover oder Peugeot) geliefert werden können.

Bei 70 PS und 1,5 t Gewicht ist klar, dass der Wolga nicht der sportlichste PKW ist, zumal der Motor keine hohen Drehzahlen mag.

Wolga M21 – der durstige Russe

Der Verbrauch liegt (sollte) bei 11 bis 12 l Normalbenzin, kann sich aber durchaus und problemlos auf 15 – 16 l steigern. Bei korrekt eingestelltem Motor/Vergaser und sehr günstigen Wetter- und Straßenverhältnissen kann der Verbrauch durchaus unter 9 Litern liegen.

Der Wolga M21 ist ein offensichtlich robuster und anspruchsloser Wagen, der zu den selteneren und größeren Autos in Osteuropa gehört. Tatsächlich ist der Wolga M21 beinahe so lang und breit wie der gleichnamige Fluss.

Annegrets gepflegtes Fotomodell wird 1960 gebaut, was an der wegrationalisierten seitlichen Chromleiste und dem fein geschlitzten Kühlergrill zu erkennen ist. Natürlich ist das Wolga-Design spätestens Mitte der 60er völlig veraltet, doch für den privaten Towarischtsch sind die großen Wagen ohnehin nicht gedacht – der darf im Wolga höchstens nach erfolgter Verhaftung, liegend als Notfallpatient oder als glücklicher Taxigast Platz nehmen.

 

Wolga –  ein Auto mit Designanleihen

Bemerkenswert an diesem Pkw ist, dass dessen Designer offenbar überhaupt kein Problem haben, sich optisch an den Produkten vom ach so bösen Klassenfeind zu orientieren. Namentlich Ford Mercury steht Pate – der Grill ist eindeutig von den Shoebox-Modellen abgekupfert, während die den hinteren Kotflügel betonende Sicke bei den Mercurys ab 1953 zu finden ist. Das Fahrwerk mit beachtlicher Reifengröße (6.70-15) hat aber deutlich mehr Bodenfreiheit als bei den US-Vorbildern – wer einen Wolga M21 kaufen will, was mitunter möglich ist, hat fortan keine Schwierigkeiten mehr mit schlechten oder gar unbefestigten Straßen. Nur festfahren darf man sich mit dem Wagen der oberen Mittelklasse nicht, denn Lada, Moskwitsch, Saporoschez und Co. können das Wolga-Dickschiff wohl kaum aus dem Matsch ziehen.

Wolga M21 den Gegebenheiten angepasst

Dass der Motor im Wolga M21 einen beachtlichen Durst zeigt, ist der niedrigen Verdichtung aufgrund der schwankenden Benzinqualitäten zuzuschreiben. Hersteller GAZ, das Gorkier Automobilwerk, muss mit den staatlichen Abnehmern diesbezüglich allerdings keinen Kundenverlust fürchten. Sparfüchse mag der 2,5-l-Reihenvierer eher davon abhalten, einen Wolga zu kaufen – die Fahrleistungen des 70 PS starken Aggregates stehen in keinem Verhältnis zum Durst. Allerdings werden einige Exportversionen in Belgien mit Dieselmotoren von Perkins und Peugeot umgerüstet; flotter geht es mit den Wolga Diesel-Modellen erst recht nicht voran, doch zumindest preiswerter.

Wolga Oldtimer unerwartet rostresistent

Womit das Wolga Auto überrascht, sind weniger die Länge von 496 und die Breite von 184 Zentimetern, sondern die Blechqualität  – der Wolga Oldtimer zeigt trotz abgefallener Lackstellen keinen Rostansatz, nicht einmal an den typischen Schwachstellen Schweller, Endspitzen und Türen. Kein Wunder, dass der Westen angesichts dessen völlig unwissend in den 70ern auf das sowjetische schlechte Metall mit hohem Kupferanteil hereinfiel und während dieser Blechkrise zahlreichen Autos beim Rosten zusehen konnte. Solches Ungemach wird der Besitzer des Wolga M21 kaum haben, und falls sein Tank mal leer ist, wird sich bestimmt irgendetwas einigermaßen Brennbares finden lassen.

Mit einem Stil, der klar zeitgenössisch beeinflusst ist vom amerikanischen Limousinendesign der 50er, ist der M21 das teuerste und exklusivste Sowjetauto, das ein Privatmensch in der UDSSR käuflich erwerben kann und dennoch nur für Personen aus Regierungs- und Parteikreisen erschwinglich ist. Auch als  besonderes Einsatzfahrzeug findet der Wolga M21 Verwendung. Hergestellt von 1956 bis 1970 mit nur wenigen Modifikationen hat er einen ikonenhaften Status erreicht, vergleichbar mit dem amerikanischen 57er Chevy und dem französischen Citroen DS.

Mit Sicherheit haben die gezeigten Exemplare eine Standard 2,5-Liter-4-Zylindermaschine. Es gibt das Fahrzeug auch mit einem V8-Motor, dem M23, der speziell auf Anfrage des KGB, der sowjetische In- und Auslandsgeheimdienst, für Verfolgungsjagden, Eskorten und „Spezial“-Aufgaben gebaut wird.

Freuen können sich heute die Russen, die niemals in diesem Fahrzeug mitfahren mussten. Es wäre vermutlich ihre letzte Tour gewesen. Ähnlich dem amerikanischen Motoren-Auswahl-Programm stopft Hersteller GAZ den großen und schweren 5,5-Liter-V8-Motor mit Automatikgetriebe aus der Tschaika-Staatskarosse (russ.: Möve), der großen Schwester unseres Wolga, in den Motorraum des M21. Das Ergebnis ist völlig unberechenbar: Ein schneller Wagen mit Bremsen und Federung, die schon lange nicht mehr der notwendigen Leistung und dem Entwicklungsstand der Zeit entsprechen. Der Hersteller GAZ muss neue Bremsen entwickeln und auch sonst vieles verändern und nachbessern. Zirka 603 Wolga M23 werden auf Bestellung hergestellt, nur 9 Exemplare haben bis heute überlebt.

Zwischenzeitlich ist der Wolga M21 ein solch beliebtes Sammlerfahrzeug geworden, dass es bereits moderne Nachbauten, sogenannte „Neo-Wolga“ gibt. Ähnlich einem Coupé aus Altteilen und Schrott, angetrieben von einem feurigen V12-Triebwerk. Gezeigt auf dem Autosalon in Paris, Preis € 500.000,- für das Einzelstück.

Im Mai 2013, auf dem Oldtimerlauf in Grästen (Gravenstein), Dänemark laufen wir bei Sauwetter ein, aus Angeln kommend,  ohne Ladestrom und sehr schwachem Öldruck. Der unbefestigte Platz im Dauerregen versinkt mittlerweile im Matsch. Auf der Heimfahrt geben die Scheibenwischer auf und wir sind froh, auf eigener Achse unsere Unterstellhalle in Angeln zu erreichen. Dann bringt der ADAC per Sammeltransport den kranken Russen nach Langenhagen in Mecklenburg. Hier wird der Antrieb entnommen mit Kupplung und Getriebe und nach Schkopau in Sachsen per Spedition versandt. Hier bei Buna und Bitterfeld wird im Laufe des Jahres der Motor überholt und geht im März 2014 zurück zu den Freunden nach Langenhagen. Der Regler stellt sich als defekt heraus und Freund Dimitri hat „neuen“ Ersatz parat. Baujahr 1963. Die Lichtmaschine eines Moskvich 412 wird verbaut, liefert jedoch aufgrund falsch-montierter Kohlen keinen Ladestrom. Also Versand von LiMa und Regler an den befreundeten Willfried nach Kappeln. Ein versierter Mann der KFZ-Elektrik. Nach erfolgreichem Testlauf dann Rücksendung mit DHL nach Mecklenburg. Nun ist unsere dritte HU fällig, die gleich in Mecklenburg gemacht wird. Fazit: Spurstange ausgeschlagen. Ein neuer russ. Rep.-satz zu € 20,- von Dimitri soll es richten und geht per Post nach Langenhagen. Am 7. Juni geht es zur 20. Wariner Oldtimerausfahrt mit EMW 340, Barkas B1000 und unserem Wolga. Wenn alles klappt geht es dann mit dem Fossil nach Hamburg.

Text Arild E. & Volker Westphal