7. Hamburger Stadtpark Revival 2008

Unter Druck…
…geraten die Brennräume der Zweizylinder Kompressor NSU, wenn sich die Einlassventile öffnen – bis zu zwei Atmosphären Überdruck liefert der hinter den Zylindern Bildangeordnete Kompressor. Dass dabei über 100 PS aus den 500ccm Hubraum entwickelt werden, stellt mein Weltbild etwas auf den Kopf. Ich dachte immer, die großen Zweitakter der Siebziger wären die ersten Motorräder gewesen, die über die magische 100PS Leistungsgrenze kamen.

Wo man das alles erfahren und erleben konnte? In Hamburg, beim Revival des Stadtparkrennens war dieses Highlight der Motorradgeschichte neben vielen anderen zu sehen und auch zu hören. Hören ist gut gesagt: Wenn man sich neben der mit einer Methanol/Öl-Mischung betriebenen Rekordmaschine vom Ende der vierziger Jahre aufhält, während Wolfgang Schneider die Maschine auf Betriebstemperatur bringt, ist es mit dem Hören nachher wirklich Essig!

Unter Druck geraten waren auch die Veranstalter des Stadtparkrennens in Hamburg durch einige unerfreuliche Ereignisse bei der letztjährigen Ausgabe. Doch die eindringlichen Hinweise im Vorfeld der Veranstaltung zeigten Wirkung – bis auf einige eher unbedeutende Ausrutscher gab es keine Vorkommnisse, über die hier zu berichten wäre. Zu verhindern, dass einer der Motorradfahrer auf der Strecke einen Herzanfall erlitten hat (und hoffentlich inzwischen auf dem Wege der Besserung ist), lag natürlich nicht in der Macht der vielen Helfer und Streckenposten, die dBildie Sache im und um den Stadtpark wie immer im Griff behielten. Unter Druck kam der Veranstalter auch durch ein zeitgleich stattfindendes Radrennen in Hamburgs Innenstadt. Aber auch dieses Großereignis hielt die Fans nicht davon ab zum Stadtparkrennen zu kommen, und das lohnt sich offenbar für die ganze Familie. Wie auch im letzten Jahr fiel die völlig offene Altersstruktur der Besucher auf – nicht ungeschickt dabei die Ausgabe einer Familienkarte (zwei BildErwachsene, drei Kinder) für 15 Euro. Auch so bekommt man ein Publikum zur Veranstaltung, welches so sonst nicht unbedingt bei Oldtimer-Motorsportveranstaltungen auftaucht, aber für die Zukunft wichtig ist. Es wurde ja auch für jeden etwas geboten: Von den mit Hilfsmotoren betriebenen Fahrrädern über die akrobatischen Vorführungen der Gespanne bis hin zu Walter Röhrl“s IMSA GTO Audi 90 Quattro mit 700PS, der von “Striezel“ Stuck über die enge Strecke geprügelt wurde, reichte die Palette der Fahrzeuge, die in Hamburg präsentiert wurden. Die straßenzugelassenen Fahrzeuge fuhren nach dem Reglement für Gleichmäßigkeitsfahrten, die Rennmaschinen und Rennwagen “nur“ Demos.

Damit dabei auch richtiges Rennfeeling aufkam, dafür sorgten bei den Motorrädern im Sonderlauf Fahrer wie Phil Read auf BildGiuseppe Pattonis 500 ccm Paton, die drei Kostwinders, Koichi Shimada mit seinen Yamahas, Lothar John auf der BMW RS 54, der, einfach gesagt, sehr schnelle Heiner Butz auf seiner Bianchi und weitere bekannte Fahrer aus dem deutschen Lager wie z.B. der ehemalige NSU Werksfahrer Wolfgang Brand, Reinhard Hiller, Kurt Harald Florin, Norbert Prokschi, und natürlich auch Peter Frohnmeyer. Als Streckensprecher der Motorradläufe fungierte Bahnlegende Egon Müller. Dies sorgte zumindest auch für einige humoristische Momente, wenn er denn nicht gerade das Micro in der Sprecherkabine mit dem Gasgriff seiner Speedwaymaschine tauschte.

Ein Blick über den Zaun ins Fahrerlager der vierrädrigen Zunft zeigte mir dann doch den großen Unterschied, der in der Szene zwischen den Zwei- und Vierrädern besteht. Da reicht das Spektrum vom Motorradanhänger, der zum Nachtlager umgebaut wird, bis hin zur First Class Sektbar auf dem Stand eines deutschen Sportwagenherstellers, wo den geneigten Gästen teures französisches Schlabberwässerchen kredenzt wurde.

Aber genau das macht das besondere Flair der Veranstaltung ja aus. Es findet sich wirklich für fast jeden Geschmack das Richtige. Da steht dann mal eben ein leibhaftiger Mercedes 540K Kompressor so am Straßenrand herum und gleich um die Ecke ein Kinderkarussell aus den 30ern, und auch die Kinder von heute finden es schön, mit “Oldtimern“ im Kreis herumzufahren. Man findet in den Zelten Fahrzeuge aus fast allen Epochen der Automobil- und Motorradgeschichte.

Bei den Zweirädern fiel mir z.B. das wachsende Interesse an den 50ccm Maschinen auf: stellvertretend dafür einige sehr schöne Kreidler KKR, die im Fahrerlager der Motorräder zu besichtigen waren. Für das leibliche Wohl wurde natürlich auch in jeder Form gesorgt, und unzählige Stände von Händlern und Clubs boten einen Überblick über die gesamte Szene, wie man ihn sonst nur sehr selten bekommen kann.

Aus der Sicht des Teilnehmers kann ich selber noch hinzufügen, dass man sich in Hamburg wirklich wohl fühlen kann. Allein die tolle Kulisse und vor allem die vielen Zuschauer, die offensichtlich richtig Freude an der gebotenen Schau haben und das auch lautstark kundtun, sind die Reise wert.

Dass man auf einem solchen innerstädtischen Straßenkurs etwas vorsichtiger zu Werke gehen muss, gerade wenn es nass ist, versteht sich von Bildselbst. Auf einer großen Rennstrecke mit ihren Sicherheitsabständen wird man dieses Flair aber niemals erzeugen können. Auch die Tatsache, dass beim Aufbau des Fahrerlagers am Freitag ein wenig Chaos herrschte, ist doch wirklich verzeihlich. Die Hamburger versuchen, möglichst vielen Fahrern die Teilnahme zu ermöglichen. Dann wird es unter den gegebenen Voraussetzungen halt auch eng….und gemütlich! Als Klaus Schüssler, der Sportleiter des Hamburger Motorsportclubs e. V., der als ältester Motorsportclub Deutschlands für den Motorradteil des Stadtparkrevivals verantwortlich ist, am Ende der Veranstaltung die von viel Applaus begleiteten Ehrungen vornahm und auch den im Frühjahr verstorbenen Ernst Hiller nicht vergaß, da war mir sofort klar, du musst im nächsten Jahr hier wieder dabei sein, wenn man dich lässt!

Text: Karl Hübben & Volker Westphal